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Ihre Liebe verstiess doppelt gegen die herrschende Moral. Sie passte auch kaum zu den obrigkeitlichen Vorschriften. Was sich die verheiratete Margrit Schumacher und der Geistliche Hans Feer 1565 in Beromünster leidenschaftlich geschrieben haben, ist aller Vernichtungswünsche zum Trotz erhalten geblieben.

Ungern nur gebe er Auskunft, sagt der Archivar und kratzt sich am Kopf. Seit Herbst 1565 gilt Chorherr Hans Feer aus Beromünster als justizflüchtig und landesabwesend. Diesen Tolggen in der Familienchronik wollen die Feers 1934 tilgen. Die Schmach soll zudem fern von zuhause enden. Ungarn, sagt der Archivar, ja, das lasse sich vielleicht vertreten als Eintrag in der Chronik. Ungarn ist der äusserste Rand Europas, wer weiter nach Osten schweift, triff nur noch auf russische Bären, die über Menschen herfallen. Also liest man in der Familienchronik, Chorherr Hans Feer sei in Ungarn gestorben. Damit bringen Familie und Kirche diesen Umgarner verheirateter Frauen, diese katholische Peinlichkeit, diesen abverheiten Feer halbwegs würdig unter die Erde.

Zärtliches Schreiben

Beromünster, Januar 1565. Margrit Schumacher, verheiratet mit Lorenz Kloos, streicht mit dem Mittelfinger über die Schriftlinie, die Hans Feer aufs Papier gekritzelt hat: «Du meine allergottesherzliebste Margrit auf Erden, Herrgott hilf, Herrgott hilf, wie bist du mir doch so inbrünstig grausam gwüsam lieb.» Sie fährt mit dem Finger den Buchstaben nach, schliesst die Augen, verliert sich, sehnt sich. Ihre Hand verkrampft sich, wenn die Worte den Ärger über ihren Mann nähren, sie steht auf, weil die Unruhe sie treibt und geht zum Fenster und dann hinaus auf die Laube. Von dort aus kann sie ihren Hans Feer sehen, wie er durch die Strasse geht. Er tut es langsam und so oft wie nur möglich. Hans guckt gern in die Laube.

Ruppiges Durchgreifen

Viele katholische Geistliche leben im Luzernischen mit einer Frau zusammen. Die Kirche mahnt seit Jahren nur mässig, die Leute halten die Priesterkonkubinate für ziemlich vernünftig und der Vatikan feiert ennet der Alpen. Das Konzil aber, das zu dieser Zeit in Trient tagt, verordnet plötzlich Disziplin. Es gilt, die alte Lehre gegen die Reformierten zu retten. Da wollen auch die Luzerner nicht abseits tehen. Sie gehen gegen jene Geistlichen vor, die sich mit einer Frau eingerichtet haben. Alle lassen sich das nicht gefallen. Chorherr Josef Küng etwa verteidigt seine Partnerin mit Waffen, als sie der Pöbel ihm nehmen und aus Beromünster vertreiben will. Hans Feer beschliesst, dass er bald mit Margrit Schumacher für immer zusammen sein wird. Derweil konfisziert die Polizei in der Wohnung der Kloos’ die Liebesbriefe, die sich die beiden geschrieben haben. Margrit hat sie aufbewahrt, obwohl Hans sie angefleht hatte, sie sofort zu verbrennen. Sie ist verheiratet, er ein Geistlicher, das grosse Unglück im Glück.

Grobes Reden. «Von Herzen geliebter Hans Feer, verlass mich nicht und hab mich lieb, amen.» Margrit Schumacher schreibt weniger gekonnt als Hans Feer. Sie schreibt unter Tränen und mit Zorn. Das faule Kindermädchen mache Krieg gegen sie und ihr ebenso fauler wie verlogener Ehemann habe sie durch dieses Mädchen schlagen lassen wollen. Den Kloos hatte sie nicht aus Liebe geheiratet, die Ehe war von den einflussreichen Familien Schumacher und Kloos arrangiert worden. Ihr gefällt es, wenn Hans Feer ihren Vater, den Propst zu Beromünster, als Scheisskübel bezeichnet und ihrem Ehemann, diesem Klotz, den Tod wünscht. Hans Feer leiht dem Ehemann seiner Geliebten sogar die Stiefel, damit dieser ausreiten kann und hoffentlich vom Pferd stürzt und sein jämmerliches Genick bricht. «O heilige Mutter, den Kloos bringen wir um», schreibt Hans Feer an seine Margrit.

Polizeilicher Ungehorsam

Der Polizist liest die konfiszierten Briefe. Er denkt wie die Verliebten. Der Kloos sei ein Ekel und der Propst ein Sack, alles sei so verlogen, bei den Pfaffen wie bei den Stinkreichen. Anfänglich brummelt er mit fast protestantischem Eifer vor sich hin. Dann wächst der Eifer zu einem umfassenden Protest gegen den mageren Polizistenlohn, das schlechte Essen, die schimmlige Wohnung und das Wetter. Der Propst hat ihm aufgetragen, die Briefe zu verbrennen. Auch der Landjäger hat ihm ausgerichtet, die Familien Schumacher und Kloos drängten auf die sofortige Beseitigung. Der Polizist aber bindet die Briefe zu einem Stapelchen und versiegelt ihn. In der Hoffnung, aus den Briefen abschreiben zu können, falls er einmal eine Geliebte haben sollte.

Teuflisches

Hans Feer entschuldigt sich bei der städtischen Obrigkeit in Luzern und bittet um Milde. Er werde sich von Frauen fernhalten, wie sich das für einen katholischen Landgeistlichen gehöre. Es sei die Schuld der Magrit Schumacher, sie habe ihn angestiftet. Diese teuflische Ausrede nützt nichts. Hans Feer wird in Abwesenheit seines Amtes enthoben. Er verreist, bevor das Urteil bekannt gemacht wird.

Der Garten. Im 19. Jahrhundert wird das Polizeiarchiv neu geordnet. Das Siegel wird aufgebrochen. Der zuständige Beamte stellt keine Fragen. Erst die Feers vermerken 1934 in ihrer Familienchronik, Stiftsarchivar Lütolf habe mündlich erklärt, Hans Feer sei in Ungarn gestorben. Doch der Stiftsarchivar hat sich lediglich am Kopf gekratzt. Er behält für sich, dass Hans Feer und Margrit Schumacher hinter die Kuppen des Jura gezogen sind und als Gärtnersleute eine Weile die Erde bearbeitet haben.

Illustration: Peter Scheidegger

(Kulturmagazin September 2009 PDF)

Serie: Stadt – und Staatsarchiv

Die Liebesbriefe von Margrit Schumacher und Hans Feer tragen die Signatur StALU AKT 19D/1194. Sie befinden sich im Staatsarchiv bei den «Historischen Beständen» in der Abteilung «Akten», «Archiv 1», «Fach 9 (Kirchenwesen)», Gruppe «Stift Beromünster» unter «Disziplin». Literatur dazu: Gregor Egloff, Zärtliche Botschaften und neue Moral, Vortrag gehalten in Basel, 7.3.2005.

600 Jahre Archiv: Das Stadt- und das Staatsarchiv Luzern feiern 2009 gemeinsam ihren 600. Geburtstag. Das städtische Ratsprotokoll erwähnt im Jahr 1409 zum ersten Mal ein Archiv.