Seltene Erden gehören zu den weltweit gefragtesten Rohstoffen. Im Walliser Binntal haben drei Hobbyforscher in grosser Zahl Mineralien gefunden. Ob sich ein Abbau wirtschaftlich lohnt?
Die Mineraliensammler kennen den Ritterpass im Binntal seit langem. Er zählt zu den bekanntesten Fundgebieten der Schweiz. Nun haben drei Amateurmineralogen eine aufsehenerregende Entdeckung gemacht. Ate van der Burgt, Mischa Crumbach und Stéphane Cuchet sind in der Gegend auf Kristalle mit Seltenen Erden (SE) gestossen. Zwar wurden in diesem Gebiet bereits SE-Mineralien nachgewiesen, aber nicht in diesem Ausmass und nicht in einem solch ungewöhnlichen Mineralisationstyp. Es handelt sich nämlich um eine ungefähr 250 Millionen Jahre alte Ablagerung von Sanden mit Schwermineralien. Diese wurden bei der Entstehung der Alpen zu festem Gestein. Dabei führte ein ungewöhnlicher Prozess dazu, dass die einst mikroskopischen Mineralkörner bis über 10 Zentimeter gross wurden.
Der Fundort erstreckt sich rings um die Steinwüste des Ritterpasses über zwei Kilometer. Weitere Vorkommen wurden bis in acht Kilometer Entfernung im südlichen Binntal und auf der Alpe Veglia in Italien entdeckt, wie die drei Forscher in der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift «Schweizer Strahler» schildern. Zudem haben sie vier Mineralien entdeckt, die in der Schweiz noch nie gefunden worden sind.
Seltene Erden sind Metalle, die in der Erdkruste gar nicht so selten sind, wie der Name vermuten lässt. Zum Beispiel gibt es mehr von dem zu den Seltenen Erden gehörenden Metall Cer als etwa Kupfer. Die Konzentration dieser Elemente im Gestein ist allerdings an den wenigsten Orten genügend gross, um einen Abbau wirtschaftlich betreiben zu können. Und selbst dort, wo die Mengen den Bergbau aussichtsreich machen, ist ihre Gewinnung sehr kostenintensiv und heikel.
Diese Seltenen Erden aber sind äusserst begehrt, denn die Metalle werden in den unterschiedlichsten Hightech-Bereichen als Werkstoffe eingesetzt. Man findet sie in Katalysatoren und in Plasmafernsehgeräten, in Supraleitern, Batterien und Handys. Sie werden auch in medizinischen Magnetresonanzgeräten oder in Windturbinen verwendet. Zurzeit werden dafür hohe Preise bezahlt. China, dem mit Abstand wichtigsten Förderland von Seltenen Erden, wird vorgeworfen, den Rohstoff absichtlich zu verknappen. Die grosse Nachfrage und der hohe Preis haben inzwischen dazu geführt, dass einst stillgelegte Minen ausserhalb der Volksrepublik nun wieder produzieren. Die Frage, ob sich ein Abbau deshalb auch im Binntal lohnen könnte, drängt sich nach den aktuellen Funden auf.
15 verschiedene Mineralien, die Seltene Erden enthalten, haben van der Burgt, Crumbach und Cuchet bisher am Ritterpass entdeckt, insbesondere mit den Elementen Cer, Lanthan, Neodym sowie Yttrium. Diese sind eingebunden in zum Teil wunderschöne Kristalle der Minerale Allanit, Bastnäsit, Synchisit, Monazit, Xenotim oder anderer mineralogischer «Exoten».
Politisch kaum umsetzbar
Die Fundstellen liegen auf über 2500 Meter über Meer, mehrere Wegstunden von jeder Strasse entfernt, im Landschaftspark Binntal sowie im italienischen Naturpark Parco dell’Alpe Veglia e dell’Alpe Devero. Entscheidend für die Frage der Wirtschaftlichkeit des Abbaus von Seltenen Erden ist, wie viele Gramm des Rohstoffs aus einer bestimmten Menge Gestein herausgelöst werden können. Mischa Crumbach schätzt die Vorkommen am Ritterpass auf maximal drei Gramm abbaubares Metalloxid pro Kilogramm. «Das gilt heute als wirtschaftlich nicht rentabel. Zudem würden die Höhe und Abgeschiedenheit des Ritterpasses einen Abbau äussert schwierig machen.»
Bisher fand man im Binntal Konzentrationen bis zu 0,3 Gramm Metalloxid pro Kilogramm Gestein. Aber auch drei Gramm sind wenig. Zum Vergleich: Eine für einen Abbau zurzeit diskutierte Lagerstätte auf Grönland enthält 11 Gramm pro kg Gestein, zudem ist die Lagerstätte volumenmässig rund zehnmal so gross wie das Vorkommen am Ritterpass – enthält also über 30-mal mehr Metalloxid.
Dass sich also ein Investor für einen Abbau im Binntal interessieren könnte, ist nach jetzigem Stand des Wissens höchst unwahrscheinlich. Zudem wäre es rechtlich und politisch kaum lösbar, für die schweizerischen und italienischen Naturparkgebiete eine Abbaubewilligung zu erhalten. Unglücklich darüber sind Crumbach und seine Kollegen nicht. Ein Bergbau im grossen Stil könnte die bis jetzt intakte Landschaft schwerwiegend beeinträchtigen und die Umwelt stark belasten. Für Mineralogen und Hobbyforscher ist die Entdeckung aber dennoch wertvoll. Sie erlaubt es möglicherweise, die Entstehungsart solcher SE-Mineralisationen besser zu verstehen. Und vielleicht können dann anderswo entsprechende Lagerstätten ausgemacht werden.
Tages-Anzeiger, 10. Juli 2014 (PDF)