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Schwester Maria Baptista Kloetzli lebt im Tschütschi, der Einsiedelei ob Schwyz. Bruder Klaus ist präsent im Gebet und mit einem Knochensplitter.

Vor acht Jahren zog sie ins Tschütschi. Ein radikaler Entscheid. Nicht ihr erster. Mit 22 wählte sie das Kloster. Ihre Bekannten dachten, die Schwestern würden sie bestimmt nicht aufnehmen. Eine junge Frau, die das Autonome Jugendzentrum in Basel schätzte, einen Vorkurs an der Kunstgewerbeschule besucht hatte und aus der Kirche austreten wollte. 22 Jahre blieb sie im Kloster.

Eingetreten ist sie im Orden der Kapuzinerinnen in Altstätten SG. Später war sie bei der Neugründung von Klöstern der Spirituellen Weggemeinschaft in Kehrsiten NW und Rheinau ZH dabei. Zwischendurch fühlte sie sich in der Gemeinschaft einsam. Auch hatte sie für sich noch nicht alle Antworten gefunden. «Gott versteht mich, auch wenn mich nicht alle verstehen können», sagt Schwester Baptista.

Der Traum

Eine Unruhe breitete sich in ihr aus. Sie verliess das Kloster, aber nicht den Orden. Für ein Jahr wohnte sie alleine in Graubünden. Da teilte ihr ein Priester mit, dass die Einsiedelei in der Verenaschlucht bei Solothurn frei wurde. Sie sah vor sich eine Oase, eine Insel, eine Wiese im Sonnenschein. Sie reiste hin und war enttäuscht. Zu viel Betrieb, zu wenig Einsiedelei, nichts für Maria Baptista. Kurz darauf erfuhr sie, dass man auch im Tschütschi nach einer Person suche, die das Haus bewohne und zur Kapelle schaue.

Sie bewarb sich und sprach mit Bruder Nikodem Röösli. Er wohnte seit 2002 in der Einsiedelei unterhalb der Mythen. Ort und Aufgaben gefielen ihr. Schliesslich willigten die Stiftung, welche das Tschütschi unterhält, die Schwestern ihres Ordens und auch der Bischof ein. «An meinem Weg soll man lesen können, dass es eine Freude ist, im Lichte Gottes zu leben.»

Die Sehnsucht

Das Tschütschi ist umgeben von Wald. Im Winter sieht man durch die leeren Äste in den Schwyzer Talkessel hinunter. Ein Specht hämmert sein Loch in die Buche. 712 Meter über Meer. Im Sommer scheint der Ort abgeschiedener. Zu Fuss sind es 40 Minuten vom Hauptplatz in Schwyz, eine Strasse führt beim Haus vorbei. Jeden Mittwoch wird in der Kapelle ein Gottesdienst gefeiert. Schwester Maria Baptista stellt Kerzen auf, arrangiert, begrüsst. Der Pfarrer predigt, sie liest die Lesung aus der Bibel. Alles, was sie macht, soll Gebet sein. Unablässiges Beten zu Gott und für die Menschen. «Gott zieht sich niemals von uns zurück, nur wir selber gehen oft weg.»

Am Anfang ihres Einsiedlerinnenlebens war die Sehnsucht nach Stille. Nach einer grossen Stille und tiefen Ruhe. Eine solche Sehnsucht ist in der Multioptionsgesellschaft von heute nicht vorgesehen. Letztere offeriert nur Teilzeiteremitentum oder Pilgereien als erbauliche Zwischenphasen. Das Tschütschi ist anders. Radikaler. Einsamer. Und für Maria Baptista das Richtige. «Ich habe die Insel gefunden, wo ich ganz bei mir sein kann, aus der heraus ich Gottes Kraft weitergeben darf, die heilsam ist. Ich bin angekommen.»

Vor von Flüe

Die Einsiedelei Tschütschi bestand bereits, als Niklaus von Flüe seine Familie verliess und in der Ranftschlucht Gott und sich selber suchte. Nachgewiesen ist die Schwyzer Einsiedelei seit 1366. Vermutet wird, dass sie schon früher bestanden hat. Damals gab es viele sogenannte Waldbrüder und Waldschwestern, die einsiedlerisch lebten. Manche starben im Ruf der Heiligkeit.

Andere wurden verschrien als Klerusfremde, Sonderlinge, Trunkenbolde, Sittenlose. Mit ihnen hatte die Kirche ihre liebe Mühe. Auch vom Tschütschi gibt es unrühmliche Geschichten. Aber die liegen weit zurück und wir lassen sie hier weg.

Man kennt sie

Heute gibt es keine Gerüchte oder Verdächtigungen. Schwester Maria Baptista lebt mit dem Segen des Bischofs im Tschütschi und bewegt sich ganz innerhalb der kirchlichen Konventionen.

Sie pflegt nebenher ältere Kapuziner, unterrichtet Kinder in Religion und arbeitet in der Sakristei der Kapelle Rickenbach, um ihren Unterhalt zu verdienen. Man kennt sie. Die Bauern in der Umgebung rufen die Schwester, wenn Not ist. Und die Menschen, die bei ihr vorbeikommen, erzählen ihr oft, was sie sonst keinem anvertrauen. Nicht einmal dem Pfarrer. Vielleicht besteht darin das Wesen einer Einsiedelei.

Eines ihrer Gebete ist jenes von Bruder Klaus. «Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir…» Pilger haben ihr eine Reliquie des Volksheiligen überlassen. Ein kleines Stück Knochen, eingemacht in einen Stein. Sie hält ihn mit beiden Händen. «Ich habe immer versucht, meinem Herzen zu folgen, über alle meine Stationen hinweg.»

041 Das Kulturmagazin, Mai 2017 (PDF)