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Die Armee hat auf der Furka ein Gebäude des ehemaligen Truppenlagers abgerissen. Die anderen Unterkünfte konnten in letzter Minute gerettet werden.

Eigentlich hätte die Schweizer Armee sieben Truppenunterkünfte auf der Furka weghaben wollen. Im Juli 2018 teilte Armasuisse Immobilien mit, dass das VBS den Abriss unter Auflagen bewilligt habe. Es hiess, der Hausschwamm gefährde die Gebäude, eine Sanierung lohne sich nicht. Schon seit längerem schickt die Armee keine Soldaten mehr zum Üben auf den Pass.

Alpine Ökologie

Der Plan war, die frei gewordenen Flächen nach dem Abriss zu begrünen sowie die Kies- und Parkflächen zu reduzieren. Doch nun wurde das Areal des Truppenlagers mit zwölf Gebäuden im Baurecht an den «Verein Alpine Forschungs- und Ausbildungsstation Furka» (ALPFOR) abgegeben. Der Vertrag wurde Ende August 2019 beurkundet. ALPFOR ist assoziiert mit der Universität Basel und untersucht seit 2008 die Ökologie im Hochgebirge, insbesondere das Leben der Pflanzen. Geschäftsführerin Erika Hiltbrunner forscht sogar seit 2002 jeden Sommer auf der Furka. ALPFOR besass seit 2008 einen pachtähnlichen Vertrag für drei Häuser über 30 Jahre. Bis heute sind an der Station auf der Furka rund 20 Doktor- und 40 Masterarbeiten entstanden.

Erbaut wurden die Unterkünfte ab 1890 auf einer Parzelle von rund 13’500 Quadratmetern. Die Eidgenossenschaft hatte das Land der Korporation Ursern abgekauft. Die Gebäude sowie ein Materialmagazin gruppieren sich zu einem kleinen Dorf. Etwas versteckt steht die Station der militärischen Seilbahn, die auf den Furkastock führt. Im Gebiet des Passes hat es zudem zahlreiche sichtbare und unsichtbare militärische Anlagen: Infanteriebunker, Unterstände, Unterkünfte, Kavernen, Wachtgebäude, Flabplattformen, Seilbahnstationen, Artilleriewerke, eine Art Furka-Reduit. Der Pass wollte gegen den Feind verteidigt werden, alles streng geheim, das war so bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg.

Wieder der Hausschwamm

2010 wurde erstmals der holzzersetzende und gefürchtete Hausschwamm im Boden eines Gebäudes entdeckt. Die Armee liess den Pilz entfernen. 2016 stellte man im Untergeschoss des sogenannten Kommandogebäudes fest, dass der Holzschwamm wieder Holz infiziert hatte. Obwohl sich der Herd nicht ausbreitete, wurde dieses Gebäude diesen Sommer abgerissen. Eine der Ursachen für die Feuchte und das Gedeihen des Schwamms liegt darin, dass 1974 quasi in den Innenhof der sauber angeordneten Truppenunterkünfte ein grosses Waschhaus gebaut wurde. Dies verändert die Windverhältnisse, sodass sich im Winter jeweils riesige Schneewächten zwischen den Häusern bildeten und im Frühling das Schmelzwasser zum Kommandogebäude floss.

Seit Jahren wurde diskutiert, was mit den Truppengebäuden auf der Furka geschehen soll. ALPFOR mietete drei davon, Schäfer nutzen eines und das Institut Furkablick nahm sich des quergestellten, ganz aus Holz gebauten Materiallagers an. Dessen Dach wurde vor kurzem durch das Institut Furkablick, hinter dem die Alfred Richterich-Stiftung steht, fachgerecht neu geschindelt. Das Institut verwaltet das ehemalige Hotel Furkablick und führt das dazugehörige Restaurant, die direkt an der Passstrasse stehen. Sie bilden einen Komplex von einmaliger Ausstrahlung und einzigartiger Geschichte. Das Hotel Furkablick war Zentrum des Kunstprojekts des Neuenburger Galeristen Marc Hostettler in den 1980er- und 1990er-Jahren.

Die Abbruchverfügung

Und dann also wurde Erika Hiltbrunner im Sommer 2018 von der Abbruchverfügung fürs Truppenlager überrascht. Zwar wären die drei Gebäude, die ALPFOR nutzt, stehen geblieben, aber das historische Ensemble des Truppenlagers wäre zerstört worden. Etwas, gegen das sich auch das Institut Furkablick wehrte, das seit Jahren mit viel Sinn für das Besondere die Furkazone beobachtet und pflegt.

Erika Hiltbrunner setzte in der Folge alle Hebel in Bewegung, bestürmte hochrangige Urner Politikerinnen und Politiker und erreichte schliesslich, dass der Rückbau gestoppt und neu verhandelt werden konnte.

Die nochmalige Wende

Das Institut Furkablick, respektive die Alfred Richterich-Stiftung, hatte schliesslich einen Vertrag mit der Eidgenossenschaft in den Händen: Übernahme des Truppenlagers mit zwölf Gebäuden im Baurecht über 50 Jahre, Kosten 50‘000 Franken in bar, niedriger Zins, Nutzungsrecht fürs Wasser usw. Abgerissen werden sollte nur das Kommandogebäude. Was dann folgte, lässt sich schlecht erklären, aber es kam zu einem guten Ende. Die Alfred Richterich-Stiftung trat in letzter Minute vom Vertrag zurück, ALPFOR sprang ein und so wird das ehemalige Truppenlager auch die nächsten Winter überdauern.

Was aber hat ALPFOR mit diesen zusätzlichen, nicht unterkellerten Gebäuden vor? Inzwischen wurden einige Holzböden herausgerissen, die unter den Kunststoffbelägen moderten – die Beläge wurden erst in den 1970er-Jahren eingelegt. Keine Spur von Hausschwamm hier, sondern intakte 130-jährige Bausubstanz, jedoch ohne sanitäre Infrastruktur. Gut gelüftet werden sie dieser Tage nun in den langen Winterschlaf verabschiedet. Ideen für die nächsten Jahre sind zahlreiche vorhanden. So könnten einzelne Gebäude in Zusammenarbeit mit dem Institut Furkablick für Ausstellungen genutzt oder einfach an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermieten werden, welche die alpine Zone erforschen.

In den kurzen Sommern waren bis jetzt immer fünf bis acht Leute von ALPFOR auf der Furka. Zudem gab es Führungen, Kurse in alpiner Ökologie mit Schwerpunkt Pflanzen und Klimatologie sowie eine internationale Sommerschule für Studierende. Dieses Angebot könnte von den zusätzlichen Räumen profitieren. «Aber wir werden das Tourismusangebot in der Region auf keinen Fall konkurrenzieren und nicht einfach Ferienwohnungen vermieten. Wir sind und bleiben ein gemeinnütziger Verein für die Wissenschaft», sagt Erika Hiltbrunner.

Militär bleibt auf dem Berg

Das Militär muss sich also in den nächsten Jahren nicht mehr um die alten Truppenunterkünfte kümmern. Es hat ohnehin anderes vor. Dem Vernehmen nach plant das Militär, 2020 neben der bestehenden Seilbahn auf den Furkastock eine temporäre Materialbahn zu bauen. Im VBS bestätigt man lediglich, dass im Raum Furka diverse bauliche Sanierungsmassnamen voraussichtlich ab Sommer 2020 umgesetzt werden.

Offenbar wurde bereits ein Glasfaserkabel zur Anlage auf dem Furkastock gezogen. Was dort oben wirklich ist, darüber schweigt sich das VBS aus. Bisweilen hört man, es sei eine Relaisstation oder Luftraumüberwachungsanlage.

Urner Wochenblatt, 16. Oktober 2019 (PDF)