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Vor 60 Jahren entdeckte man oberhalb von Trubschachen im Emmental das angeblich grösste Uranlager der Schweiz. Die damalige Uran AG hat die Gegend untersucht, kommerziell abgebaut aber hat sie den Rohstoff nie. Vor kurzem wurde erst zum zweiten Mal Uran aus der Schweiz in einem Atomkraftwerk genutzt.

21 Schürfungen, sechs Bohrungen, zwölf Stollen. Sie erbrachten den Nachweis, dass es in den Hügeln zwischen dem Chrümpelgrabe und dem Teufebachgrabe südlich von Trubschachen uranhaltiges Material im Boden hat. Das damalige «Emmenthaler-Blatt» berichtete unter dem Titel der Exklusivität. «Wir sind jüngst in den Besitz eines gedruckten, jedoch nicht veröffentlichten Exposés der Uran AG gelangt, in dem das bisherige Untersuchungsergebnis festgehalten ist. Das Resultat ist dermassen interessant, dass es in den Grundzügen der schweizerischen Öffentlichkeit nicht länger vorenthalten bleiben darf», schrieb das Blatt im Juni 1960. Lange geheim gehalten wurde der Bericht angeblich, um auf keinen Fall einen «verfrühten Uranrausch» auszulösen.

Geschätzt wurde, dass auf einem Gebiet von 3,5 Quadratkilometern in Kohlenflözen zwischen Nagelfluh und Mergel rund 2,8 Millionen Tonnen Kohle und rund 1800 bis 2100 Tonnen Uran vorhanden sind. Es handle sich, schrieb der Journalist damals, um Pechglanzkohle, die einen Heizwert zwischen Braun- und Steinkohle habe. Dass es in diesem Gebiet Kohle hat, war bekannt: Im Zweiten Weltkrieg haben sich die Menschen dort Heizmaterial besorgt. Aber dass die Kohle uranhaltig war, schien man nicht zu wissen.

Zu teuer, nicht rentabel

Die Aussichten, sich im Inland mit Uran versorgen zu können, wurden von wirtschaftlichen Berechnungen arg getrübt. Offenbar hätte das im Emmental gewonnene Uran damals rund doppelt so viel gekostet wie Uran auf dem Weltmarkt. Doch das «Emmenthaler-Blatt» gab sich optimistisch und erklärte, das Vorkommen des begehrten Rohstoffes habe dennoch eine beträchtliche Bedeutung: Es war die Zeit, als die Schweiz an einer eigenen Atombombe und der Erzeugung von Kernenergie forschte. Konkret hatte die Schweiz 1957 den ersten Forschungsreaktor in Betrieb gesetzt und dann 1965 mit dem Bau des ersten Kernkraftwerks begonnen. «Die Schweiz wird … eines Tages ebenfalls Atomsprengstoff herstellen, teils für zivile Zwecke, aber wohl auch für militärische», mutmasste der Journalist.

Seine Zuversicht war nicht grundlos. Die Schweizerische Studienkommission für Atomenergie (SKA) hatte beispielsweise bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nach nutzbaren Uranvorkommen suchen lassen. Dass es in der Schweiz und insbesondere in den Alpen uranhaltiges Gestein hat, war bereits bekannt. Eine ältere Untersuchung hatte gezeigt, dass im Bergellergranit, in Kluftmineralien im Grimselgebiet oder auf der Mürtschenalp im Kanton Glarus Uranminieralien zu finden sind. Wichtige Uranvererzungen wurden aber auch in einem Zuleitungsstollen zur Staumauer Grande Dixence im Wallis aufgespürt.

Also wagte das «Emmenthaler-Blatt» eine Prognose: «Hätte die Schweiz dieses Uran zur Verfügung, das da in der Kohle des Blapbachgebietes enthalten ist, so würde dies zusammen mit der hydraulischen Erzeugung von Elektrizität zur Deckung des Energiebedarfs der Schweiz auf Jahre hinaus genügen.» Nördlich des Hofs Längegg kann man im Wald die Kohleschicht bis heute sehen. «Es lagen ganz kleine graue Knöllchen auf der schwarzen Schicht, sogar manchmal etwas Gold. Wir haben Stücke mitgenommen und untersucht. Tatsächlich konnten wir die radioaktive Strahlung, die von der uranhaltigen Kohle ausgeht, messen», sagt Christoph Kipfer, Fachschullehrer und schweizweit bekannter Goldwäscher aus dem Trub.

Der Emmentaler Rohstoff aber lagert noch immer im Boden. Die Schweiz hat selber nie Atomwaffen hergestellt und das Uran für die Kernkraftwerke stets im Ausland bezogen. 2008 aber hatte eine Firma bei Nendaz im Wallis einen neuen Anlauf genommen, um – neben Gold – auch uranhaltigen Fels aufzuspüren. Gestiegene Preise für Uran könnten, so der Vermutung, einen Abbau auch in der Schweiz lohnend machen. Aber auch diese Pläne scheiterten.

Schweizer Uran im Atomkraftwerk

Und doch landete vor ein paar Jahren uranhaltiges Gestein aus der Schweiz in Atomkraftwerken. Das kam so. Beim Bau des Pumpspeicherwerks Nant de Drance zwischen den Staumauern Vieux-Emosson und Emosson westlich von Martigny VS durchquerten man Anfang 2013 eine Zone mit natürlich uranhaltigem Gestein. Die Verantwortlichen wussten, dass in diesem Gebiet radioaktives Gestein vorhanden war und bereiteten sich entsprechend vor.

Schliesslich wurden 5200 kg hochradioaktives Material und 7960 kg feineres und mittelradioaktives Material vom übrigen Aushub getrennt. So konnte die problematische Aushubmenge von 5000 Tonnen auf 13 Tonnen reduziert werden. Doch wohin mit diesem Material? Das Unternehmen kontaktierte in der Not eine Firma in Tschechien, die das Material aus den Walliser Alpen für einen symbolischen Preis abnahm und aufbereitete zu jenem Ausgangsstoff, aus dem Brennelemente für Atomkraftwerke hergestellt werden. Und so erzeugt Schweizer Uran erst zum zweiten Mal in einem Kernkraftwerk tatsächlich Strom – 1980 war bereits einmal Uran aus La Creusaz unweit der Emosson-Stauseen für die Energiegewinnung aufbereitet worden.

Berner Zeitung, 13. Oktober 2020 (PDF)